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Sonne bringt selbst Faulpelze auf Trab

07. April 2014

Mit Wärme und Licht steigt das Verlangen nach frischer Luft und Aktivität. Wer es nicht schon tut, könnte jetzt anfangen, sich mehr zu bewegen. Es lohnt sich.

Die Frühlingssonne bringt das Erbe der Winterruhe zutage: das Malzbier-und-Spucke-Beige der Haut. Bauch, Po und Oberschenkel – zu wenig Spannung, zu wenig Form. Da gewiss auch in diesem Sommer keine Ganzkörper-Badeanzüge in Mode kommen, ist es höchste Zeit, dass Frau und Mann etwas tun. „Fit in den Frühling“ lautet die Parole – selbst wenn der innere Schweinehund knurrt!Gnädigerweise gibt’s Hilfe von oben: So schonungslos der Frühling Unzulänglichkeiten aufdeckt, so großzügig beflügelt er die Lust, dagegen anzugehen. Regina Stoll, Direktorin des Instituts für Präventivmedizin an der Uni Rostock, erinnert an die Zusammenhänge: In der dunklen Jahreszeit fördert das Schlafhormon Melatonin das Ruhebedürfnis. Mehr Sonne und Tageslicht lassen das Glückshormon Serotonin sprudeln. „Wir werden munterer.“Fazit: Der Frühling macht uns automatisch aktiver.Als Präventivmedizinerin auch der Gesundheitsförderung verpflichtet, wirbt Regina Stoll für Beständigkeit. „Es ist gut, wenn der Frühling zum Anlass genommen wird, sich mehr zu bewegen“, sagt sie. „Besser wäre aber, es das ganze Jahr über zu tun, dann braucht man nicht immer wieder von vorn anzufangen.“ Immerhin stelle der Fitnesszustand des Körpers einen Risikoanzeiger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar – ebenso wie die üblichen Verdächtigen Übergewicht, Rauchen oder Diabetes.Fazit: Der Fitnesszustand des Körpers wirkt sich auf das Krankheitsrisiko aus.Wer „Herr über seine Gesundheit sein will“, wie Regina Stoll rät, muss vor allem den Kalorienverbrauch betrachten, den Zusammenhang von Energiezufuhr (Ernährung) und -verbrennung (Bewegung). Der Steinzeitmensch war ein Fleischfresser, der mit deutlich weniger Kohlenhydraten und regelmäßigen Hungerphasen überlebte. Darum legt der Körper in Zeiten der Fülle Reserven an. Das wird ihm in der sitzenden Überfluss-Gesellschaft doppelt zum Verhängnis: Hochenergetisches, kohlenhydratreiches Futter ist jederzeit zu haben, ohne dass die Muskulatur dafür etwas tun müsste.Schon um im Ruhezustand die Körperfunktionen in Gang zu halten, ist Energie nötig. Dieser „Grundumsatz“ wird im Liegen gemessen, so Regina Stoll. Jeder Handschlag darüber hinaus summiert sich zum „Arbeitsumsatz“. „Acht Stunden sitzen verbraucht nur zusätzlich etwa 400 Kilokalorien“, sagt die Wissenschaftlerin. Heißt: 100 Gramm ungefüllte Himbeer-Bonbons.Fazit: Wer sich mehr bewegt, kann mehr essen.Mit dem Wort Sport geht Regina Stoll vorsichtig um – damit jede Abschreckung vermieden wird, zieht sie Begriffe wie Bewegung und Aktivität vor. Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen rät zu 150 Minuten körperlicher Anstrengung pro Woche, mindestens zehn Minuten am Stück. „Das Wichtigste dabei: Es muss Spaß machen“, sagt die Ärztin. „Gewaltaktionen demotivieren.“ Ratsam seien kleine Schritte und langsame Steigerung. Wer lange allzu inaktiv war, sollte vor dem ersten Start den Hausarzt konsultieren. Für Bewegung sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Zu Fuß gehen. Bus oder Bahn einfach eine Station vor dem Ziel verlassen und den Rest des Wegs aus eigener Kraft zurücklegen. Treppen steigen statt Fahrstuhl oder Rolltreppe zu nutzen. Gartenarbeit oder körperliche Anstrengung bei Hausbau oder Hausputz sind möglich. Und jede Art von Sport sowieso.Fazit: Jede Bewegung ab zehn Minuten am Stück zählt.Pädagogisch wertvoll wird es zudem, wenn Eltern ihre Kinder mit dem Rad statt mit dem Auto zur Kita oder in die Schule bringen. Der Nachwuchs profitiert, wie Regina Stoll mit Fingerzeig auf Studien betont. „Kinder, die im Auto zur Schule gebracht werden, sind langfristig im Vergleich zu anderen körperlich weniger leistungsfähig.“ Und: Mit der Länge des morgendlichen Fußwegs steige die Leistungsfähigkeit. Die Präventivmediziner in Rostock setzen sich seit Langem für eine dritte Schulsportstunde pro Woche ein, bestenfalls sogar tägliche Bewegungseinheiten. Immerhin bringen schon rund zwölf Prozent der Kinder zur Einschulung Übergewicht mit. Übrigens: Bei den Erwachsenen im Nordosten sind es sage und schreibe 57 Prozent.Fazit: Die Kinder frühzeitig auf Trab zu bringen, zahlt sich aus.Wem es trotz Frühling und guter Vorsätze schwerfällt durchzustarten, dem empfiehlt Regina Stoll Gesellschaft. Für eine Untersuchung ihres Instituts wurden langzeitarbeitslose Menschen aus ihrer Lethargie geholt und in Gruppen körperlich aktiv. „Diese Gruppen haben das Projekt lange überlebt.“ Auch in größeren Unternehmen können gemeinschaftliche Bewegungs- und Entspannungsangebote Wunder wirken. Die Forscher beziffern die Kosten-Nutzen-Relation mit einem Euro zu drei bis sechs Euro.Fazit: Der innere Schweinehund braucht Gesellschaft.