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Glücklich und gesund

25. August 2015

EXPERTENMEINUNG: Prof. Dr. Regina Stoll rät im Gesundheitsinterview zu ausreichender Bewegung und ausgewogener Ernährung. Als Expertin für Arbeits-, Sport- und Sozialmedizin weiss die Direktorin des Instituts für Präventivmedizin der Universitätsmedizin Rostock worauf es ankommt, um gesund durch den (Arbeits-) Alltag zu kommen.

DHB: Wirkt sich der demografische Wandel auf den Gesundheitszustand der Arbeitnehmerschaft aus?

Stoll: Am besten erreicht man den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und die Senkung der Arbeitsunfähigkeit durch kontinuierliche Gesundheitsvorsorge. Wir müssen wegkommen von dem generellen Defizitmodelldenken den Älteren gegenüber. Auch die älteren Mitarbeiter haben wichtige Ressourcen und leisten einen großen Beitrag zum Erfolg von Unternehmen. Die nordischen Länder machen es uns vor in der Wertschätzung der Altersgruppe der 55-bis 64-Jährigen. Deutschland hat aber auch schon hinzugelernt und heute einen höheren Anteil in dieser Beschäftigtengruppe als noch vor zehn Jahren.

 

DHB: Der beste Weg zur Gesundheit ist Bewegung. Wie motiviert man Sportmuffel?

Stoll: Jeder Einzelne muß sich ganz persönliche Ziele stecken. Warum soll ich Sport machen? Der eine will abnehmen, der andere seine Leistungsfähigkeit erhöhen. Die meisten schaffen es aber nicht alleine den ersten Schritt zu tun. Kleine Gruppen sind da hilfreich. Wenn man einmal angefangen hat, sind Motivationshilfen nützlich. Zum Beispiel Schrittzähler, mit denen man seine Aktivitäten verfolgen kann.

 

DHB: Welche Indikatoren gibt es Herzkreislauf-Krankheiten zu entdecken? Wie wichtig ist ein check up?

Stoll: Es ist sehr wichtig, sich regelmäßig durchchecken zu lassen. Leider nutzen die Angebote noch immer zu Wenige. Männer sind dabei echte Vorsorgemuffel, obwohl die gesetzlichen Krankenkassen die Leistung ab 35 Jahre zahlen. Die Vorsorgeuntersuchungen fallen in den primärpräventiven Bereich, das heißt, man erkennt Krankheiten oder Risikofaktoren, bevor sie Symptome zeigen. Herz- und Kreislaufkrankheiten lassen sich durch bestimmte Parameter wie Blutdruck und Herzfrequenz sowie durch Blutuntersuchungen (Blutfette, Blutzucker). Auch ein Ganzkörperstatus ist hilfreich. Festzuhalten ist ebenfalls, dass Bewegungsmangel ein großer Risikofaktor ist.

 

DHB: Was halten Sie von dem neuen Trend Urban Fitness und wie wichtig ist Spaß am Sport?

Stoll: Am besten sucht man sich eine Sportart aus, die man sein Leben lang betreiben kann. Mit sogenannten Lifetime-Sportarten ist man dann dauerhaft mit Spaß am Ball. Ich halte auch den neuen Trend Urban Fitness für sinnvoll. Hier kann man über soziale Netzwerke Sportpartner finden und sich überall in Parks und Wegen in Stadt und Natur mit individuellen Übungen und Einheiten fit halten. Hier können sich auch Staat und Kommunen in die Gesundheitsförderung einbringen und eine Sportinfrastruktur mit neuartigen Parcours aufbauen.

 

DHB: Quasi als Trimm-dich-Pfad reloaded?

Stoll: Richtig. Bei uns in Mecklenburg Vorpommern beginnt man jetzt, sogenannte Bewegungsparcours aufzubauen. Da gibt es Modellregionen, in denen auch viel auf ältere Menschen ausgelegt ist. Der Staat kommt da seinen Aufgaben nach. Gesundheitsförderung ist gesamtgesellschaftlich, das kann der Einzelne nicht alleine schaffen.

 

DHB: Es ist also nie zu spät, um mit dem Sport einzusteigen?

Stoll: Man kann in jedem Alter mit dem Sport anfangen. Allerdings sollte man sich vor den sportlichen Aktivitäten durchchecken lassen und sportmedizinische Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen.  Bloß nicht auf die Idee kommen, als untrainierter Mensch einen Halbmarathon laufen zu wollen, nur weil es gerade eine Massenbewegung ist.

 

DHB: Setzen Sport und Bewegung Glückshormone frei?

Stoll: Unstrittig ist, dass Serotonin bei Bewegung ausgeschüttet wird. Serotonin wirkt antidepressiv. Körperliche Betätigung führt zur Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität. Man fühlt sich wohler. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass regelmäßige körperliche Bewegung zahlreichen Krankheiten vorbeugen kann, aber auch zu Therapiezwecken eingesetzt wird. Das Herz-Kreislauf-Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiko sinkt um durchschnittlich 20 bis 30 Prozent durch regelmäßige Bewegung.

 

DHB: Worauf sollte geachtet werden, um sich nicht zu überfordern?

Stoll: Jede Betätigung kann und muß individuell dosiert werden. Es gibt eine Dosis-Wirkung-Beziehung. Bei moderater körperlicher Aktivität hat man den größtmöglichen Effekt. Das gilt übrigens auch für ältere Menschen. Über das übliche Bewegungsmaß hinaus sollte man 1000 Kilokalorien pro Woche verbrauchen, die minimal nötig sind, um das Herz- Kreislauf-Risiko zu senken. Mit den berühmten 10.000 Schritten pro Tag schafft man 300 Kilokalorien und kommt der optimalen Empfehlung von 2.000 bis 2.500 zusätzlich verbrauchten Kilokalorien pro Woche nahe. Mein Tipp: Immer wieder aufstehen, bewußt rumlaufen. Einfach mal um den Block gehen, Treppen steigen usw.  Ständiges Sitzen ist ganz schlimm.

 

DHB: Letzte Frage, wie wichtig ist die richtige Ernährung?

Stoll: Grundsätzlich muß festgehalten werden, dass unsere Lebensmittel gesund sind. Das Wichtigste an der Ernährung ist, dass sie nusgewogen sein muss. Nur die Dosis macht das Gift. Die Energiezufuhr muss in einem direklen Verhältnis zum  Energieverbrauch stehen. Wie viele Kalorien verbrauche ich bei welcher Aktivität. Man kann die Energieumsetzung durch körperliche Aktivität stark beeinflussen. Der Körper braucht aber alles: Fette, Kohlenhydrate, Eiweiße. Eine einfache Formel ist: Wer mehr ißt, muss sich auch mehr bewegen!        
DIE FRAGEN STELLTE ULI GEUB