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Das Labor der Zukunft

03. April 2012

Am Zentrum für Innovationskompetenz CELISCA in Rostock gewähren die Professorinnen Dr. Kerstin Thurow (l.) und Dr. Regina Stoll Einblicke in die Automatisierung der Laborarbeit.

Nein, gänzlich ersetzen werden die mobilen Roboter und Maschinen den Menschen im Labor nicht. Dies hervorzuheben, wird Professorin Dr. Kerstin Thurow, Leiterin des »Center for Life Science Automation« ? kurz CELISCA ? nicht müde. Schließlich ist ihr das Vorurteil über die Arbeit der  Nachwuchsforscher im interdisziplinären Kompetenzzentrum in Rostock-Warnemünde schon häufiger begegnet.

»Es geht nicht darum, den Menschen im Labor überflüssig zu machen. Wir suchen nach Möglichkeiten, den Laboranten monotone und sich stets wiederholende Tätigkeiten durch Automatisierungsprozesse abzunehmen. Unsere Zielsetzung ist die Entwicklung besserer Verfahren und Produkte für die Life Sciences «, beschreibt Thurow die Aufgabenstellung von CELISCA.

Für diese Vision haben sich 2005 Nachwuchsforscher aus aller Welt in zwei Arbeitsgruppen in der Hansestadt zusammengefunden. »CELISCA erlaubte uns, das Know-how aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen der Universität Rostock zu vereinen«, lobt Thurow, die 1999 mit nur 29 Jahren in den Ingenieurwissenschaften habilitierte und damit zu den jüngsten Professorinnen Deutschlands zählte, das fachübergreifenden Arbeitsprinzip des Forschungszentrums.

Im Einzelnen zählen Elektrotechniker, Maschinenbauer, Informatiker, Biologen und Mediziner zu den tragenden Säulen der CELISCA-Forschung. »Das Themader Automatisierung in den Life Sciences verfolgen auch andere  Forschungseinrichtungen «, weiß die CELISCA-Leiterin zu berichten, »aber die von uns gewählte wissenschaftliche Bandbreite ist weltweit einzigartig.«

Davon profitiert der gesamte Hochschulstandort an der Ostsee. Das »Center for Life Science Automation« bildet einen zentralen Fixpunkt in dem Bemühender Universität Rostock, sich in der Life Sciences-Forschung international zu profilieren. Dazu zählt beispielsweise die praktizierte Kooperation mit der NorthCarolina State University und der boomendenBiotechnologie-Szene des USBundesstaats.

Daheim fanden die Rostocker in ihren Bestrebungen Unterstützung beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Es begleitete den Aufbau und die Ausstattung von CELISCA sowie die Arbeit der Forschungsgruppen über fünf Jahre mit rund 9,5 Millionen Euro. Das Land Mecklenburg-Vorpommern finanzierte im Technologiezentrum Warnemünde die notwendigen Räumlichkeiten.

»Ohne diese Fördermaßnahmen wäre der Aufbau von CELISCA wesentlich langsamer vonstatten gegangen«, würdigt Thurow ausdrücklich das Engagement von Bund und Land. Zusätzlich warben die Rostocker Forscher durch bilaterale Kooperationen mit der Wirtschaft auch in größerem Umfang Drittmittel ein.

Eines der insgesamt 14 Projekte, das die Rostocker Nachwuchsforscher in den zurückliegenden Jahren erfolgreich auf den Weg gebracht haben, ist ein Zellhandling-System, mit dessen Hilfe im Labor vollautomatisiert Zellkulturen angelegt werden können. Diese werden dann vom System eigenständig gezüchtet, gepflegt und kontrolliert.

Dazu war es notwendig, vorhandene Anlagentechnik sinnvoll miteinander zukombinieren. Eine Aufgabe u. a. für die an CELISCA beteiligten Informatiker, dieentsprechende Softwarelösungen programmieren mussten, um die zum Teilvöllig unterschiedlichen Steuerungen der einzelnen Geräte miteinander zu »verheiraten«, wie es CELISCA-Leiterin Thurow anschaulich beschreibt.

Eine zweite Herausforderung bestand darin, das Zellkultivierungssystem deutlich kompakter zu bauen als bisher existierende Systeme und es in die Lage zu versetzen, die manuellen Tätigkeiten des Labormitarbeiters korrekt abzubilden.

Was dies in der Praxis bedeutet, veranschaulicht Kerstin Thurow an einem Beispiel: »Die Zellen haften häufig am Boden des Behältnisses an. Der Laborant behilft sich in solchen Fällen, in dem er einmal an das Behältnis klopft, um die Zellen zu lösen.« Für solche im Laboralltag immer wiederkehrenden einfachen Arbeitsschritte mussten bei der Konzeption des Zellhandling-Systems nun automatisierte Prozesse gefunden werden. Zurzeit unterziehen die Rostocker das Zellkultivierungssystem einem Langzeittest, um Fehleranfälligkeit bei längerem Gebrauch ausschließen zu können. Wie alle Forschungsvorhaben im Kompetenzzentrum CELISCA hat auch das Zellhandling-System einen konkreten Bezug zum Innovationsbedarf in der Life-Science-Branche. »Wir klopfen vor einer solchen Entwicklung immer das Interesse unser Partner in der Wirtschaft und die Marktfähigkeit ab«, betont Thurow.

Eine weitere Besonderheit der CELISCA-Projekte stellt die Einbeziehung dermedizinischen Fakultät der Universität dar. Dabei untersucht das Institut fürPräventivmedizin die gesundheitlichen Folgen der Automatisierung für die Labormitarbeiter. Denn mit den automatischen Verfahren geht auch ein verändertes Anforderungsprofil für den Laboranten einher. »Seine Arbeit bekommt eine viel stärkere Überwachungsfunktion«, erläutert Professorin Dr. Regina Stoll. Ob dies den Mitarbeiter wirklich stärker entlastet, weil ihm ermüdende manuelle Tätigkeiten erspart bleiben oder ob die  Prozessautomatisierung nicht gerade gegenteilig zu einer wachsenden Unzufriedenheit mit der Arbeit führt, wird im Rahmen des ganzheitlichen Ansatzes von CELISCA eingehend untersucht.

Gegenwärtig nimmt die Vision eines Future Labs in der Arbeit einer neuen Nachwuchsforschungsgruppe mit dem Titel »Life Science Automation ? Systems & Process Technologies« konkrete Formen an. Diese hat im Februar 2012 ihre Arbeit aufgenommen und zählt unteranderem den Einsatz von mobilen Robotern im Labor zu ihren Forschungszielen,wobei Lösungen auf Fragen der Navigation, der Positioniergenauigkeit sowieder Kommunikation der Roboter untereinander und mit übergeordneten Leitsystemen gefunden werden müssen.

LIFE SCIENCES: Am Zentrum für Innovationskompetenz CELISCA entsteht das Labor der Zukunft: Neben der Entwicklung neuer technologischer Verfahren spielen auch deren gesundheitliche Folgen für die Mitarbeiter eine wichtige Rolle.

D AT E N   U N D   F A K T E N

Förderprogramm: Zentrum für Innovationskompetenz Standort / Region: Rostock
Teilnehmende Partner (Forschung): Universität Rostock, Institut für Automatisierungstechnik - Fakultät für Informatik und Elektrotechnik / Leibniz-Institut für Katalyse / Institut für Präventivmedizin - Universitätsmedizin Rostock / Institut für Angewandte Mikroelektronik und Datentechnik - Fakultät für Informatik und Elektrotechnik / Institut für Philosophie - Philosophische Fakultät

Weitere Informationen: www.celisca.de